Jeder Notfall- und Rettungssanitäter ist mit dem ABCDE-Schema bestens vertraut. Es ist das Fundament unserer täglichen Arbeit. Doch was passiert, wenn wir uns in einer Umgebung wiederfinden, in der die Verletzungsmuster anders sind und die Zeit noch kritischer ist? In taktischen Lagen – sei es bei Amok- oder Terrorlagen oder schweren Unfällen mit penetrierenden Traumata – benötigen wir einen Algorithmus, der speziell für diese Herausforderungen entwickelt wurde. Hier kommt das MARCH-Protokoll ins Spiel.
Das MARCH-Protokoll: Ein strukturierter Leitfaden für das Chaos
Das MARCH-Akronym ist mehr als nur eine weitere Eselsbrücke. Es ist ein strukturierter, priorisierter Handlungsablauf, der sich auf die fünf häufigsten vermeidbaren Todesursachen bei schweren Traumata konzentriert. Er zwingt uns, die absolut dringendsten Probleme zuerst zu behandeln.

Schauen wir uns die einzelnen Schritte des Protokolls genauer an:
M – Massive Hemorrhage (Massive Blutung)
An erster und wichtigster Stelle steht die sofortige Kontrolle von lebensbedrohlichen, spritzenden oder pulsierenden Blutungen. Eine unkontrollierte arterielle Blutung kann einen Patienten in unter drei Minuten töten.
- Maßnahmen: Unverzügliche Anlage eines Tourniquets an den Extremitäten, auch über der Kleidung. Aggressives “Wound Packing” (das Ausstopfen von Wunden) mit hämostatischen Verbänden an Übergangszonen wie Leiste, Achsel oder Hals.
A – Airway (Atemweg)
Ist die massive Blutung gestoppt, wenden wir uns dem Atemweg zu. Ist der Patient bei Bewusstsein und spricht ohne Probleme? Sehr gut. Ist er bewusstlos oder schnarcht? Wir müssen den Atemweg sichern.
- Maßnahmen: Einfache Manöver wie das Esmarch-Handgriff oder das Überstrecken des Kopfes. In der taktischen Medizin ist der Nasopharyngealtubus (Wendl) oft das Mittel der Wahl, da er einfach zu platzieren ist und vom Patienten besser toleriert wird.
R – Respirations (Atmung/Belüftung)
Hier geht es um alles, was die Atmung beeinträchtigen kann. Die häufigste vermeidbare Todesursache in dieser Kategorie ist der Spannungspneumothorax.
- Maßnahmen: Inspektion des Brustkorbs auf offene Verletzungen. Das sofortige Abdichten solcher Wunden mit einem Chest Seal (einer speziellen Brustkorb-Dichtung), um einen offenen Pneumothorax zu verhindern. Erkennen eines Spannungspneumothorax und die Vorbereitung zur Entlastungspunktion.

C – Circulation (Kreislauf)
Erst jetzt, nachdem die drei größten Bedrohungen (Blutung, Atemweg, Atmung) abgearbeitet sind, kümmern wir uns um den restlichen Kreislauf.
- Maßnahmen: Erneute Überprüfung aller Blutstillungsmaßnahmen. Anlage eines venösen oder intraossären Zugangs, falls notwendig. Gabe von Flüssigkeit (restriktive Volumentherapie) oder Blutprodukten, falls verfügbar.
H – Hypothermia & Head Injury (Hypothermie & Kopfverletzung)
Dieser letzte Punkt ist ein entscheidender Faktor für das Überleben. Ein Traumapatient verliert schnell an Körperwärme, was die Blutgerinnung massiv stört.
- Maßnahmen: Den Patienten so schnell wie möglich vor weiterem Wärmeverlust schützen. Einsatz von Rettungsdecken (idealerweise aktiv wärmenden Systemen). Durchführung einer kurzen neurologischen Untersuchung zur Beurteilung eines möglichen Schädel-Hirn-Traumas.
Fazit: MARCH als Mindset
Das MARCH-Protokoll ist mehr als nur eine Checkliste; es ist ein Mindset. Es zwingt uns, unsere Prioritäten in Stresssituationen neu zu ordnen und uns auf das zu konzentrieren, was den Patienten wirklich und sofort umbringt. Für jeden im Rettungsdienst bietet die Kenntnis und das Training des MARCH-Algorithmus eine entscheidende Sicherheit, um auch in den anspruchsvollsten Lagen einen kühlen Kopf zu bewahren und Leben zu retten.
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